Indigene Esskultur in Kanada

Die indigenen Völker Kanadas – First Nations, Inuit und Métis – verfügen über jahrtausendealte kulturelle Wurzeln und sind bis heute ein lebendiger Teil der kanadischen Gesellschaft. Die First Nations umfassten Hunderte eigenständiger Stämme, die sich häufig zu größeren Nationen mit gemeinsamen Sprachen, Territorien und spirituellen Traditionen zusammenschlossen. Zu den bekanntesten zählen die Haudenosaunee (Irokesen-Konföderation), die Anishinaabe und die Cree – ihre kulturellen Einflüsse sind bis heute in Sprache, Kunst und Alltagsleben spürbar. Die Inuit leben im arktischen Norden und haben sich seit jeher mit großem Wissen und Respekt gegenüber der Natur an extreme Umweltbedingungen angepasst. Die Métis wiederum entstanden aus der Verbindung zwischen indigenen Gemeinschaften und europäischen Pelzhändlern und entwickelten eine eigene, einzigartige Identität und Kultur.
Ein zentrales Element des kulturellen Selbstverständnisses aller drei Bevölkerungsgruppen ist bis heute die Kulinarik. Die traditionelle Ernährung – basierend auf Wild, Fisch, Beeren und Pflanzen – war nicht nur überlebenswichtig, sondern tief in spirituelle Praktiken, überliefertes Wissen und kollektive Identität eingebettet. Damals wie heute ist sie Ausdruck kultureller Vielfalt, enger Naturverbundenheit und gelebter Gemeinschaft.

Unser Botschafter für indigene Esskultur, Joseph Shawana, stellt im Folgenden das indigene Erbe der kanadischen Kulinarik vor. Sein ehemaliges Restaurant, Kū-Kŭm, gehörte zu den ersten in Kanada, das indigene Aromen in den Mittelpunkt stellte. Neben seinem Wirken als Koch, ist Joseph als Professor und Berater für indigene Küche am Centennial College in Toronto tätig.

Aufgewachsen ist Joseph Shawana im Wiikwemkoong Unceded Territory auf Manitoulin Island in Ontario. Er spricht Anishinaabemowin, das ist die traditionelle Sprache der Anishinaabe-Völker, zu denen unter anderem die Ojibwe, Odawa und Algonquin gehören. Sie gehört zur Algonkin-Sprachfamilie, einer der größten indigenen Sprachfamilien Nordamerikas.

Joseph Shawana

Die indigenen Völker Kanadas verfügen über eine vielfältige Küche, die hochwertige Zutaten von Küste zu Küste umfasst. Vom frischen Heilbutt an der Ostküste über Wildtiere wie Elch, Hirsch und Wapiti im Landesinneren bis hin zu wild gefangenem Chinook-Lachs an der Westküste von British Columbia – ganz zu schweigen von essbaren Wildpflanzen in der fernen Arktis, die gut zu Arktischem Saibling passen.

Kanadas reiches kulinarisches Erbe hat in den letzten Jahren zunehmend an Bekanntheit gewonnen und ist mehr und mehr ein fester Bestandteil von Vorratskammern im ganzen Land geworden. Hier sind einige meiner bevorzugten Zutaten, mit denen ich die Geschmacksprofile der Gerichte, die ich kreiere, hervorhebe – sowie einige Proteinquellen, die ich entweder selbst gejagt habe oder die mir geschenkt wurden.

Wildreis
(Manoomin – in der Anishinaabe-Sprache)

Wildreis ist für viele indigene Gemeinschaften, insbesondere für die Anishinaabe, ein heiliges Korn, da es Teil unserer Schöpfungsgeschichten ist – etwa der Migrationsgeschichte des Ojibwe-Volkes, wie sie in Birkenrindenschriftrollen überliefert ist, in denen es heißt: „Du wirst dein Zuhause dort finden, wo das Essen auf dem Wasser wächst.“ Wildreis wächst natürlich in Süßwasserseen und -flüssen und wird mit traditionellen Methoden geerntet, indem die Körner in Kanus geschlagen werden. Er ist nährstoffreich und wird in Suppen, Eintöpfen und als Grundgetreide verwendet. Ich nutze ihn für Salate, stelle handgemachte Pasta her und verwende das Mehl, wenn ich Wildreis in einen Brotteig einarbeite.

Birkensirup
(wiigwaasaatigwaaboo – in der Anishinaabe-Sprache)

Birkensirup wird im frühen Frühling aus dem Saft der Birkenbäume gewonnen. Indigene Völker in Kanada nutzen diesen Sirup seit langem wegen seiner medizinischen und ernährungsphysiologischen Eigenschaften. Er hat einen einzigartigen, karamellartigen Geschmack mit einer leichten Bitternote, die an Melasse erinnert, und eignet sich daher ideal für Glasuren, Marinaden und Desserts. Einer meiner liebsten Verwendungszwecke ist, Melasse in Keksen durch Birkensirup zu ersetzen – für ein erdiges, reiches Aroma. Heute wird die Herstellung von Birkensirup von indigenen Gemeinschaften wiederbelebt, als Teil umfassenderer Bemühungen, traditionelles Wissen zu bewahren und kulturelle sowie wirtschaftliche Nachhaltigkeit zu fördern. Diese Wiederbelebung ehrt nicht nur die Vorfahren, sondern unterstreicht auch die Bedeutung der Birkenbäume im ökologischen und kulturellen Erbe der indigenen Völker.

Erlenkätzchen (Grüne Erle)
(adoop – in der Anishinaabe-Sprache)

Birkensirup wird im frühen Frühling aus dem Saft der Birkenbäume gewonnen. Indigene Völker in Kanada nutzen diesen Sirup seit langem wegen seiner medizinischen und ernährungsphysiologischen Eigenschaften. Er hat einen einzigartigen, karamellartigen Geschmack mit einer leichten Bitternote, die an Melasse erinnert, und eignet sich daher ideal für Glasuren, Marinaden und Desserts. Einer meiner liebsten Verwendungszwecke ist, Melasse in Keksen durch Birkensirup zu ersetzen – für ein erdiges, reiches Aroma. Heute wird die Herstellung von Birkensirup von indigenen Gemeinschaften wiederbelebt, als Teil umfassenderer Bemühungen, traditionelles Wissen zu bewahren und kulturelle sowie wirtschaftliche Nachhaltigkeit zu fördern. Diese Wiederbelebung ehrt nicht nur die Vorfahren, sondern unterstreicht auch die Bedeutung der Birkenbäume im ökologischen und kulturellen Erbe der indigenen Völker.

Moltebeeren
(aanakwad ni min – in der Anishinaabe-Sprache)

Diese goldenen Beeren gedeihen in den arktischen und borealen Regionen und sind reich an Vitamin C und Antioxidantien. Die Inuit haben Moltebeeren seit jeher für medizinische Zwecke und als süße Köstlichkeit verwendet, oft zusammen mit getrocknetem Fleisch. Ich bereite aus Moltebeeren gern eine feine Konfitüre zu und streiche sie auf ein Stück frisch gebackenes Bannock oder Brot.

Hagebutten und Rosenblüten
(oginiig – in der Anishinaabe-Sprache)

Wildrosenpflanzen werden in der indigenen Medizin und Küche seit Jahrhunderten verwendet. Die leuchtend roten Hagebutten sind reich an Vitamin C und werden häufig zu Tee aufgebrüht oder in Sirup verarbeitet. Die Blütenblätter mit ihren zarten, floralen Noten verleihen Speisen und Getränken Schönheit und feinen Geschmack – etwa als selbst gemachter Rosenblütensirup, der sich hervorragend für Cocktails oder Desserts eignet.

Sumach (Hirschkolben-Sumach)
(baakwaanaatig – in der Anishinaabe-Sprache)

Sumach wird sowohl medizinisch als auch kulinarisch genutzt. Reich an Vitamin C, wurden seine Beeren von indigenen Völkern über Nacht in kaltem Wasser eingeweicht, um daraus eine Art Sumach-Limonade zu machen, da die Beeren ein zitrusartiges Aroma haben. Für die Küche lässt sich Sumach hervorragend über frisch gefangenem Forellen- oder Lachsfilet streuen.

Wildfleisch
(Elch – mooz, Hirsch – waawaashkesh, Wapiti – omashkooz – in der Anishinaabe-Sprache)

Wildtiere wie Elch, Wapiti und Weißwedelhirsch haben die indigene Lebensweise seit Jahrhunderten getragen. Diese Tiere sowie Vögel spielten eine große Rolle in der Kultur, da sie nicht nur Nahrung lieferten, sondern auch Werkzeuge und Kleidung. Eine meiner bevorzugten Kochtechniken ist es, das Protein mit dem zu kombinieren, was das Tier in der Natur fressen würde – etwa Wapiti mit Pflaumen, Elch mit Weide oder Hirsch mit Immergrün. Ich finde, dass solche Kombinationen den Geschmack des Fleisches verstärken und das Gericht besonders hervorheben.

Bison
(mashkode-bizhiki – in der Anishinaabe-Sprache)

Der Bison war für die indigenen Völker Kanadas – insbesondere für die Plains Nations wie Cree, Blackfoot, Métis und Sioux – von entscheidender Bedeutung. Er lieferte Nahrung, Kleidung, Unterkunft und Werkzeuge. Als Symbol für Fülle, Stärke und Widerstandsfähigkeit war der Bison ein bedeutendes spirituelles Tier, das die Verbindung zwischen der physischen und der spirituellen Welt verkörperte. Er wurde als Geschenk des Schöpfers angesehen und stand für die Verantwortung der Menschen, im Einklang mit der Natur zu leben. Jeder Teil des Bisons wurde genutzt – sein Fleisch wurde zu Pemmikan verarbeitet, einer energiereichen Nahrung aus getrocknetem Fleisch, Fett und Beeren, die überlebenswichtig für lange Reisen und den Handel war. Aus den Häuten wurden Tipis, Kleidung und Mokassins hergestellt, während die Knochen zu Werkzeugen und Waffen wurden. Der Bison prägte über Jahrhunderte indigene Ernährungssysteme, Zeremonien und ökonomisches Handeln.

In unserer Rezeptkategorie findet ihr zukünftig eine Auswahl von Rezepten der indigenen Küche Kanadas, die Joseph Shawana speziell für Taste of Canada zusammenstellt.